HSV-Fortbildung mit Dirk Lange – Grundlagen des Schwimmtrainings – Trainingsphilosophie

Wieder einmal hat der HSV die Möglichkeit genutzt, eine Fortbildung mit einer schillernden Person aus dem Hochleistungssport anzubieten. 65 Teilnehmer aus ganz Deutschland waren über Zoom angemeldet. Initiiert und organisiert wurde die Veranstaltung von der HSV-Landestrainerin Shila Sheth. Sie zeichnete sich auch für die Leitung verantwortlich.
Zu Beginn der Ausführungen galt es den Rahmen von Erkennen und Wissen abzustecken. Es galt die Leitlinien eines zielgerichteten Handelns zu erkennen und zu entwickeln. Es wird für Dirk Lange der die rote Linie des Handelns. Diese einzubringen in die konkrete Handlung, sprich in den sogenannten Trainingsalltag, macht den Vorgang vom Anfänger bis zum Hochleistungssportler zu einem komplexen und zwangsläufig hoch variablen Vorgang, der immer neuen Korrekturen ausgesetzt ist. Um auf dieser Erkenntnis immer „Volltreffer“ zu landen, bedarf es einer permanenten Überprüfung. Counsilman (Bloomington/USA), der wohl berühmtes und erfolgreichste Schwimmtrainer der Welt, hat diese Notwendigkeit bereits 1968 in seinem bedeutenden Standardwerk `Schwimmen´ mit „10 Fragen des Trainers an sich selbst“ niedergeschrieben. Sie bilden die Basis für erfolgreiches Umsetzen oder anders ausgedrückt: „Es muss klappen“. Da die Altersstrukturen ebenso wie die Schwimmdistanzen sehr unterschiedlich sind, sind auch zwangsläufig die Gewichtungen von Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und Koordination ganz verschieden. Wie und Wo werden sie entwickelt? Ausschließlich im Wasser oder auch an Land? Hierbei spielt die Frage „Wie sehe ich den Sportler, wie sehe ich mich als Trainer“ eine immer wiederkehrende zielgebende Rolle.
Der Verlauf der Präsentation war gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Beispielen aus seinem reichen Fundus, Theorie und Praxis erfolgten im Wechselspiel. Eine grundlegende persönliche Philosophie wurde mit der eigenen adaptierten Entwicklung dargestellt.
Die Koordination ist ein stetiger Wegbegleiter der Entwicklung. Reich sind die Variationen für den Anfänger bis zum Olympiasieger. Zur eigenen Neugier und Erforschung anregende (Bewegungs-) Aufgaben stehen im Wechselspiel mit zu duplizierenden strikten Vorgaben, den Übungen. Aufgaben stellen das „A“ und „O“ im Bewegungslernen dar, sie sind die Basis für die notwendigen Lösungen und das nicht nur im Hochleistungssport. Bewegungsvielfalt heißt das Zauberwort. Aufgaben und Übungen können nicht ohne einander, sie stellen die Qualität der Leistungsentwicklung auf eine neue Stufe. (Anm.: Schöllhorn hat das Thema Koordination mit dem von ihm entwickelten `differentielles Lernen´ auf ein neues Niveau gehoben und dem Bewegungslernen eine neue Dimension gegeben).

Aussagen von Dirk Lange:
• Die Entwicklung des Freiwasserschwimmens zeigt die Veränderung in der Bedeutung z.B. der Geschwindigkeit. So werden heute die ersten 800 m schon unter acht Minuten angeschwommen.
Zwangsläufig ergeben sich andere Trainingsinhalte, als wenn man so wie früher erheblich langsamer angeht.
Kurz: Früher mehr Ausdauer – heute mehr Geschwindigkeit (Speed). In den 70er und 80er Jahren wurden viel größere Umfänge trainiert als heute, aber heute ist man schneller. Warum ist das so?
• Wieviel Ausdauer benötigt ein Langstreckler, wieviel Schnelligkeit benötigt ein Sprinter?
• Massiv ist der Einfluss vom Wettkampfkalender. Eine extreme Verdichtung führt zu einer Veränderung des Trainings und möglicherweise auch zur Veränderung meiner Trainingsphilosophie.
• Und hier kommen die individuellen, die spezifischen Parameter ins Spiel. Was ist der relevante Bereich für Marco Koch, in dem sich seine Leistung entwickeln kann?
• Was lasse ich trainieren? Ich versuche die Stärken zu trainieren und das Gute zu fördern. Dabei ist auch die Leichtathletik ein besonderer Helfer.
• Ein Sport muss mit Druck umgehen lernen. „In einer Woche werden 4 x 100 m Brust geschwommen, die letzten 100m in 1:03.“ Dieses Wissen bedeutet für den Sportler Stress, er stellt sich der Herausforderung.
• Ein Trainer muss objektiv sein. Der Sportler muss sich auf sein Wort verlassen können, keine Traumzeiten sonders die Realität benennen. Beide müssen sich aufeinander verlassen können. Dort wo früher ein Trainer mehr eine Art Alleinunterhalter war, dort sind heute die Anforderungen an einen Trainer mehr durch Managementfähigkeiten geprägt. Aber: „Viele Köche verderben den Brei“.
• Trainingsziele: Speed ist meine Hauptphilosophie – hilfreich dabei u.a. Flossen Takt vorgeben Laufen Skilanglauf etc..
10 x 100m kann ganz unterschiedlich geschwommen werden, ganz verschiedene Ziele können angesteuert werden.
• Meine Trainingsphilosophie kann noch so blendend sein, passt sie jedoch nicht mit den Trainingsbedingungen zusammen, so ist sie zum Scheitern verdammt……. oder ich muss sie verändern.
• Frage: Wie entscheidest Du, ob ein Sportler unmotiviert oder übertrainiert ist?
Wir testen viel und damit können wir den Zustand beurteilen, ich versuche alle Faktoren zusammenzubringen. Letztendlich muss ich konsequent zum Sportler sein.
• Frage: Ist es notwendig, einen Psychologen einzubeziehen?
Der Psychologe muss verstehen über was wir sprechen sprechen, er muss eine starke Anbindung haben zu dem was wir machen.

• Harte Trainingseinheiten müssen richtig balancieret werden.
• „Techniktraining ist keine besondere Einheit, es ist immer ein allgemeiner/besonderer Teil des Trainings.“

Zusammenfassung
„Geschwindigkeit im Training so viel wie möglich, Ausdauer so viel wie nötig.“
„Der Sportler trägt allein das Risiko für seine Leistung.“
„Ich stelle mich immer auf den Prüfstand – mache ich das immer noch richtig?“
„In Deutschland gibt es keine/kaum leistungsstarke Gruppen.“
„Mein Negativerlebnis: OS 2000 in Sydney. Meine Schwimmerin Sandra Völker ist nicht weitergekommen. Ich kann hier nicht schwimmen. Ich war sehr geknickt, das war für mich ein gewaltiger Hammer.
„Mein Positiverlebnis? Jeder Sieg meiner Sportler“.

„Philosophie ist letztendlich ein dynamisches Ding“

Dirk Lange. Foto: Privat

 

Dr. Werner Freitag – HSV Ehrenpräsident